Die Ernährung ist zurück in der lokalen Politik. Die Zahl der Bürger, Wissenschaftler und der Städte die sich im globalen Norden z.B. mit Urban Food Planning beschäftigen steigt exponentiell an. Das ist ein guter Zeitpunkt um die bisherigen Entwicklungen und die zukünftigen Möglichkeiten der lokalen Ernährungspolitik und der Stadternährungsplanung in einem Buch zusammenfassen. Rositsa Ilieva war für Ihre Doktor- und Forschungsarbeiten an verschiedenen Hot-Spots lokaler Ernährungspolitik und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung damit tätig und hat jetzt „Urban Food Planning: Seeds of Transition in the Global North“ veröffentlicht.

Entstanden ist ein Buch, das die Spuren der bisherigen Entwicklung der kommunalen Ernährungspolitik sehr genau verfolgt. Es bietet einen kompakten Überblick über dessen Möglichkeiten – und weit darüber hinaus eine tiefe und detaillierte Analyse der Entwicklungen. Ilieva betrachtet das Thema mit Hilfe der Transition Theorie – und sieht Urban Food Planning als eine Nische für soziale Innovationen, eine Möglichkeit die Rolle von Städte und Stadtplanung für die Ernährungswende neu zu definieren.
Das Buch beginnt mit Stadt-Utopien, die Ernährung als essentiellen Teil beinhalten. Das prominenteste Beispiel sind die Gartenstädte von Howard, aber auch das niederländische „Het groene hart“ und aktuelle Utopien wie Sitopia von Carolyn Steel finden ihren Platz.
Warum Urban Food Planning?
Die Rolle der Raumplanung und die der Raumplaner im Ernährungsthema erklären sich nicht von selbst. Planung ist schließlich nicht die einzige Profession, die lokale Ernährungspolitik vorantreiben könnte. Ilieva begründet die Notwendigkeit einer Stadternährungsplanung im Wesentlichen mit drei Punkten:
- Raumplanung könnte Teil des Ernährungs-Problems sein: Bestehende räumliche Planungen beeinflussen das Ernährungssystem ohne das diese Wirkungszusammenhänge aktuell beachtet würden. Das kann zu problematischen Entwicklungen im Raum und in der Ernährung führen.
- Raumplaner sind ein Teil der Lösung: Zu den Fähigkeiten von Raumplanern gehören systematisches Denken, Kommunikationskompetenzen, Erfahrungen mit der Analyse statistischer und raumbezogener Daten und der Sachverstand verschiedene quantitative und qualitative Untersuchungen zu einem Bild zusammenzuführen. Damit sind Raumplanungs-Praktiker und -Wissenschaftler besonders geeignet lokale Ernährungspolitik voranzubringen.
- Ernährung kann helfen „große“ Planungsfragen zu lösen: Der Blick auf die Stadt durch die „Ernährungs-Brille“ kann helfen, bisher unentdeckte Lösungsmöglichkeiten für städtische Probleme zu erkennen.
Der Ernährungs-Brille ist das nächste Kapitel gewidmet: Hier werden die verschiedenen Ansätze für Bestandsaufnahmen des städtischen Ernährungssystem beschrieben. Die Beschreibung und Analyse der unterschiedlichen Instrumente der Ernährungsplanung – wie z.B. die Ernährungsstrategien – betont, dass diese Instrumente für einen langfristigen Erfolg Rechtsverbindlichkeit, etablierte Institutionen und Experten benötigen. Stadtentwicklungsprojekte mit Ernährungsbezug sind ein aktuell noch nicht besonders beachtetes Thema des „Urban Food Planning“. Die dargestellten Pilotprojekte könnten ein Weg sein, die Beziehung von Stadt und Ernährungssystem neu zu denken. Dafür reichen nicht Entwürfe allein, sie müssen begleitet werden mit fortschrittlicher politischer Führung.

Ernährungsräte als neue Arenen der Ernährungspolitik
Als neue Arenen für Ernährungspolitik und -planung bezeichnet Ilieva die neuen Institutionen, die notwendig sind, um von ihnen aus die Ernährungsarbeit anzustoßen und organisieren. Die Ernährungsräte werden mit ihren unterschiedlichen Herangehensweise und Herausforderungen ausführlich vorgestellt. Diese kommunale Institution verbreitet sich nicht nur in Deutschland, sondern ist weltweit einer der schnell wachsenden Einrichtung kommunaler Regierungen. Doch die Form der neuen Arenen beschränkt sich nicht auf Ernährungsräte, auch andere Organisationsformen werden getestet um lokale Ernährungspolitik zu betreiben.
„In the realm of urban food systems, local governments can initiate interdepartmental food teams, food policy task forces, and establish dedicated offices for food policy initiatives as new platforms for deliberation and cooperation to advance community food security and sustainable food system goals.“
Am Ende ihrer zusammenfassenden Analyse stellt Ilieva fest, dass die steile Lernkurve zu Beginn einer Innovation wie Urban Food Planning die praktische Arbeit und die wissenschaftliche Begleitung schwierig macht: Kaum hätte man ein Teilstück des neuen Themas betrachtet, hätte die gesamte sich Landschaft schon wieder verändert. Umso wichtiger ist, dass durch langjährige Betrachtung Entwicklungen zusammengetragen, gegliedert und überprüft werden; dass Notwendigkeiten für die nächsten Schritte aufgezeigt werden. Das hat Rositsa Ilieva mit ihrem Buch „Urban Food Planning“ hervorragend getan – und das sowohl in der Auseinandersetzung mit der Gesamtbewegung als auch in der Analyse ihrer einzelnen Bausteine. Wenn Nevin Cohen im Klappentext schreibt „It is an essential read for planning scholars and practitioners”, dann schließen sich dem die Speiseräume gerne an.
Buch: Ilieva, Rositsa T. (2016): Urban Food Planning. Seeds of Transition in the Global North. Milton: Taylor and Francis.