„Urbane Landwirtschaft ist Störfaktor und Entwicklungshemmnis!“ Diese Einstellung herrscht nicht nur in der Stadtplanung vor. „Was könnte man mit diesen tollen Flächen alles machen. Aber Kohlrabi anbauen?“ Vor 10 Jahren erschien ein Buch, das den Blick von Architektur und Städtebau auf urbane Landwirtschaft grundlegend verändern wollte. Urbane Landwirtschaft wurde in „Continuous Productive Urban Landscapes“ (CPUL) zu einem elementaren Bestandteil der modernen Stadt. Mit dem gerade erschienen Titel „Second Nature Urban Agriculture“ bauen die beiden Herausgeber André Vilijoen und Katrin Bohn auf ihr zehn Jahre altes Buch auf.
Kein Firlefanz: urbane Landwirtschaft
Damals war eines ihrer Verdienste das Thema der urbanen Landwirtschaft aus Stadtentwicklungssicht nicht als Firlefanz abzutun, sondern als für die Stadt notwendige Infrastruktur zu begreifen und in städtebauliche Konzeptionen einzubinden. Oder etwas flapsiger formuliert:
„How to make a CPUL City:
1. Bring your own city.
2. Map all your existing open spaces and connect them through green infrastructure.
3. Insert agriculturally productive land.
4. Feed your city!”

Heute – mit viel Praxiserfahrungen, Analysen von aktuellen Entwicklungen und neuen Einfällen im Gepäck – führen die beiden Herausgeber ihr Konzept fort. „Second Nature“ berichtet über die Entwicklungen seit CPUL und gibt den Planern neben der Weiterführung der städtebaulichen Ideen von damals auch Entwürfe für den Planungsprozess von urbaner Landwirtschaft mit auf den Weg.
Im ersten Teil des Buches „City Theory“ werden die Grundlagen urbaner Landwirtschaft, von kontinuierlich produktiven Städten und von kommunaler Ernährungspolitik dargestellt. Ergänzt werden sie durch die Diskussion der Entwicklungen in Deutschland, Großbritannien und der USA. Zu Wort kommen unter anderem Kevin Morgan, Joe Nasr, June Komisar, Nevin Cohen und Elisabeth Meyer-Renschhausen.
„Cities are now one of the key areas in which the future of food polices will be decided.“ (Kevin Morgan)
Second Nature mit Kleeblatt
Der zweite Teil des Buchs gliedert sich durch das CPUL-Methoden-Kleeblatt. Dieses „CPUL City Clover“ ist die zentrale Idee von Viljoen und Bohn für die Gestaltung des CPUL Planungsprozesses. Die vier Blätter heißen U+D, R, IUC und VIS.
- Aktion IUC (Inventory of Urban Capacaty): Der Bestand im Bereich der verfügbaren Räume, vorhandener Akteure und Organisationsstrukturen muss aufgenommen werden.
- Aktion U+D (Bottom Up + Top Down): Infrastruktur-Projekte wie CPUL brauchen Top-down und Bottom-up Initiativen für einen langfristigen Erfolg.
- Aktion VIS (Visualising): Planer und Architekten müssen die Vorteile der Urbanen Landwirtschaft auf möglichst vielen Kanälen darstellen um öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen.
- Aktion R (Design Research): Das CPUL Konzept erfordert konstante Forschung, Weiterentwicklung und Vertiefung um es an veränderte Rahmenbedingungen anzupassen.
„Second Nature“ illustriert das Kleeblatt mit der Darstellung und Diskussion von Beispielprojekten. Als deutsche Beispiele werden so für die U+D Aktion u.a. das Spiel/Feld Mahrzahn und für die VIS Aktion die urbane Agrikultur in Köln-Ehrenfeld dargestellt.
Was auf bei „Second Nature“ auffällt, ist das Verständnis der CPUL als Prozess. Es gibt einen städtebaulichen Entwurf wie die produktiven Stadtlandschaften aussehen können – aber zu diesem Entwurf gehört auch das Design von Prozessen zur Verankerung der urbanen Landwirtschaft in der Stadt. Bohn und Viljoen visualisieren nicht nur ihre Ideen, sondern illustrieren auch anschaulich die Prozesse, die sie analysiert haben. „Second Nature“ ist trotz englischer Sprache sehr deutsch: Katrin Bohn hat in den letzten Jahren an der TU Berlin gelehrt und geforscht – das schlägt sich in Second Nature als eine sehr ausführliche Darstellung der deutschen Entwicklung und von deutschen Projekten wieder. Das könnte eine Chance für die Diskussion hierzulande rund um Stadtplanung und urbane Landwirtschaft sein.
Mit „Second Nature Urban Agriculture“ ist André Viljoen und Katrin Bohn 10 Jahre nach den „Continuous Productive Urban Landscapes“ ein zweiter Meilenstein in der stadtplanerischen Auseinandersetzung mit urbaner Landwirtschaft gelungen. Bitte lesen.
André Viljoen, Katrin Bohn (2014, Hg.): Second Nature Urban Agriculture: Designing Productive Cities. Oxon.