Zwei frisch veröffentlichte wissenschaftliche Untersuchungen beschäftigen sich mit kommunaler Ernährungspolitik: Während auf internationaler Ebene gefragt wird, welche Faktoren eine gute Ernährungspolitik ermöglichen, ist auf nationaler Ebene noch immer ein anderer Ansatz notwendig: eine prämierte Berliner Masterarbeit begab sich auf „Spurensuche“ nach deutschen Ansätzen für Stadternährungsplanung.

Die Studie des International Panel of Experts on Sustainable Food Systems sucht nach Erfolgsfaktoren kommunaler Ernährungspolitik. Die grundsätzliche Möglichkeit und Notwendigkeit einer solchen Politik steht dabei außer Frage. Betrachtet werden fünf Städte mit ihren ernährungspolitischen Ansätzen:

  • Belo Horizonte (Brasilien) und sein Weg die Ernährungssicherheit der Bevölkerung zu verbessern
  • Nairobi (Kenia) mit seinem Ansatz die städtische Landwirtschaft zu fördern
  • Amsterdam und seine innovative Strategie zur Bekämpfung des Übergewichts
  • Die kanadische Region „Golden Horseshoe“ mit ihrem Ernährungs- und Landwirtschaftsplan
  • Detroit mit seiner Verordnung zur städtischen Landwirtschaft

Hinweise für erfolgreiche kommunale Ernährungspolitik

Beim Lesen dieser Beispielen sticht ins Auge, dass es jeweils eine sehr konkrete Herausforderung gibt, aus der heraus dann ressortübergreifend mit innovativen Instrumenten der Ernährungspolitik gearbeitet wurde. Aus den verschiedenen Best-Practise-Projekten arbeitet die Studie Faktoren heraus, welche nicht als Voraussetzungen aber als wesentliche Erleichterung für kommunale Ernährungspolitik beschrieben werden.

  1. Sehr nützlich ist es Daten über die städtischen Probleme im Zusammenhang mit Ernährung zu erheben bzw. zusammenstellen. Daten vom Zustand vor Beginn und während der Maßnahmen helfen sukzessive Fortschritte deutlich zu machen.
  2. Es ist wichtig die Einflussmöglichkeiten der Stadt auf die Ernährungsprobleme zu identifizieren und zu nutzen.
  3. Um ambitionierte Strategien, die Verbesserungen auf mehreren Feldern erzielen, ist das Engagement aller relevanten Verwaltungsressorts entscheidend.
  4. Ausreichende finanzielle Förderung für die Umsetzung muss gesichert und dann optimal genutzt werden.
  5. Politische Unterstützung zu sicher und nachhaltig zu stärken ist fundamental wichtig.

Spurensuche in Deutschland

Und wie sieht das in Deutschland aus? Anna Galda hat sich mit ihrer Masterbarbeit auf die Suche nach deutschen Ansätzen von Ernährungssystemplanung begeben und dazu mit Experten aus Landwirtschaft, Forschung und Politik gesprochen. Die Arbeit gibt Einblicke in die verschiedenen Perspektiven, zeigt Chancen und Hemmnisse auf. Das Ergebnis ist ernüchternd:

„Eine zielgerichtete strategische Steuerung der zukünftigen Entwicklung des Ernährungssystems mit einem spezifischen Wissen über dasselbe findet dabei jedoch derzeit nicht statt. Die Begründung findet sich in den Rahmenbedingungen: Mit Blick auf das derzeitige Verständnis der Verantwortungs- und Aufgabenbereiche der Stadtplanung und deren Umsetzung in der gegenwärtigen Praxis wird deutlich, dass das Ernährungssystem nicht als Handlungsfeld der Stadtplanung gesehen wird.“

Doch die Masterarbeit macht vorsichtige Hoffnung: Denn auch Themen wie der Klimawandel und die Energiewende sind vor zehn Jahren nicht Bestandteil planerischen Handelns gewesen. Erst die öffentliche Diskussion hat diese ins Blickfeld der Planung gerückt. Und: „Die Einführung einer Ernährungssystemplanung scheint nach dabei keine Frage des adäquaten Instrumenteneinsatzes zu sein, sondern eine Frage der Bereitschaft und des Willens bestimmter Schlüsselakteuren, sich dem Thema anzunehmen und dieses zu aktivieren.“

Literatur
IPES-Food (2017): What makes urban food policy happen? Insights from five case studies. Unter Mitarbeit von Corinna Hawkes und Jess Halliday.
Galda, Anna (2017): Ernährungssystemplanung in Deutschland. Eine qualitative Spurensuche in der deutschen Planung. Teilw. zugl.: Berlin, Techn. Univ., Masterarbeit, 2014. Berlin: Universitätsverlag der TU Berlin.