Während die ernährungspolitischen Entwicklungen in Berlin und anderen deutschen Städten so langsam Fahrt aufnehmen sind Bürgermeister und Senatoren andernorts bereits einige Schritte weiter. Städte wie Toronto oder Kopenhagen, die sich schon länger ernsthaft mit Themen rund um eine zukunftsfähige städtische Ernährung beschäftigen haben sich im Oktober zusammen mit 12 weiteren Metropolen der C40 Good Food Cities Declaration verpflichtet, um die Gesundheit der Menschen und des Planeten zu fördern und zu erhalten.

Wer sind die C40 Cities?

C40 Cities ist ein Verbund von 94 Großstädten, die zusammengenommen mit 700 Millionen Bürgern einen von zwölf Menschen und ein Viertel der Weltwirtschaftsleistung vertreten und außerdem mehr als zwei Drittel der globalen CO2-Emissionen ausmachen. Darunter sind Megastädte wie Peking, Shanghai und Kalkutta, Millionenstädte wie Addis Abeba und Buenos Aires, aber auch Rotterdam, Auckland und Kopenhagen als sogenannte „Innovator Cities“. Die deutschen Mitgliedsstädte sind Berlin und Heidelberg. Die Bürgermeister dieser C40-Städte haben sich verpflichtet, die ehrgeizigsten Ziele des Pariser Abkommens lokal, also vor ihrer Haustür zu erreichen. Bei C40 Cities geht es im Grunde darum, städtische Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels zu fördern, um Treibhausgasemissionen und Klimarisiken zu reduzieren und gleichzeitig die Gesundheit, das Wohlbefinden und die wirtschaftlichen Chancen der Stadtbewohner zu erhöhen.

Das C40-Netzwerk “Ernährungssysteme”

Innerhalb von C40 gibt es 16 verschiedene Netzwerke in denen Städte sich austauschen, gegenseitig unterstützen und inspirieren können. Dabei dreht es sich immer um CO2 Minderung, Anpassung an den Klimawandel und Nachhaltigkeit. Dass Bürgermeister oft effizientere und lösungsorientierte Politik betreiben schrieb Benjamin Barber schon 2013 in seinem Buch ‚If Mayors Ruled The World‘ – bei C40 können sie es unter Beweis stellen. C40 bietet Städten ein wichtiges Format für einen urbanen Wissensaustausch, um dringend notwendige Klimaschutzmaßnahmen zu replizieren, zu verbessern und zu beschleunigen. Auch Ernährung spielt bei C40 eine große Rolle. Im Netzwerk „Ernährungssysteme“ haben sich verschiedene Städte zusammengeschlossen, um gemeinsam ihre kommunale Ernährungspolitik weiterzuentwickeln. Oberste Ziele sind auch hier den Treibhausgasausstoß zu verringern, die Ernährungssysteme zukunftsfähig und klimafest zu machen, sowie zu mehr Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen zu führen.

Die Arbeit des Netzwerks Ernährungssysteme basiert auf folgenden Eckpunkten:

  • Nachhaltige Ernährung soll über die Umgestaltung der Gemeinschaftsverpflegung, über Vermarktungsrichtlinien und soziale Maßnahmen gefördert werden.
  • Regenerative städtische Landwirtschaft soll die Ernährungssicherheit erhöhen, Food Miles reduzieren; Dach- und Wandgärten sollen das Stadt-Klima verbessern.
  • Die Unterstützung einer nachhaltigen Lebensmittellogistik soll, wie die Förderung von Wochen- und Großmärkten, die städtische Resilienz fördern.
  • Lebensmittelabfälle sollen vermieden, verteilt und verwertet werden.
  • Die Ernährungspolitik soll mit Instrumenten wie Ernährungsstrategien und Ernährungsräten koordiniert werden.

Als Partner hat das Netzwerk die renommierte EAT-Foundation, die sich für die Transformation des globalen Ernährungssystems einsetzt. Geleitet wird das Netzwerk von der Stadt Mailand.

Städte, Klima und Ernährung

Wie ein Bericht der C40 von Juni 2019 zeigt, sind Lebensmittel eine der größten Quellen für konsumbasierte Emissionen aus Städten. Die Nahrungsmittelproduktion macht 11% der weltweiten Treibhausgasemissionen aus und steigt auf 30%, wenn man die Verteilung der Nahrungsmittel und die Landnutzung mit einbezieht. 2050 würden 80% der Lebensmittel in Städten konsumiert, der Treibhausgasausstoß der Ernährung würde bis dahin um 38 % zunehmen. Wenn es bis dahin keinen grundlegenden Wandel gibt. Der Bericht zeigte nämlich auch, dass eine nachhaltige Ernährungsweise und die drastische Reduktion von Lebensmittelabfällen bzw. -verschwendung die Treibhausgasemissionen in den C40 Städten um bis zu 60% verringern könnte. Und nicht nur die Gesundheit des Planeten, auch die Gesundheit der Städter würde maßgeblich von einem Wandel der Ernährungsweisen profitieren.

Die Good Food Cities Declaration

Um den wachsenden Herausforderungen in Bezug auf klimafreundliche städtische Ernährungssysteme lösungsorientiert zu begegnen hat C40 Cities etwas Neues auf den Weg gebracht. Die Bürgermeister von Barcelona, Kopenhagen, Guadalajara, Lima, London, Los Angeles, Mailand, Oslo, Paris, Quezon-Stadt, Seoul, Stockholm, Tokyo und Toronto haben im Oktober eine „Good Food Cities Declaration“ verabschiedet und sich zu nachhaltigen Ernährungspolitiken verpflichtet.

Gemeinsam erklären sie:

„Als Bürgermeister einiger der größten Städte der Welt erkennen wir die Macht der Ernährungspolitik an, Treibhausgasemissionen zu reduzieren und das 1,5°C-Ziel des Pariser Abkommens zu erfüllen. Wir können weltweit führend sein und Ernährungssysteme entwickeln, die als Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung nachhaltig, integrativ und widerstandsfähig sind. Wo unsere Stadtverwaltungen direkt Lebensmittel kaufen, die in Schulen, Krankenhäusern und anderen öffentlichen Einrichtungen serviert werden, werden wir sicherstellen, dass diese Lebensmittel gesund und nachhaltig sind und idealerweise aus biologischem Anbau stammen. Wir können die Verteilung, Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit von Lebensmitteln beeinflussen und die Werbung für Lebensmittel im öffentlichen Raum regulieren, um gesundes, vollwertiges Essen zu fördern und den Konsum von Lebensmitteln zu verhindern, die ultraverarbeitet und/oder fett-, zucker- und salzhaltig sind. Wir können Einfluss darauf nehmen, wie Land genutzt wird und wie Lebensmittel innerhalb und außerhalb unserer Grenzen erzeugt werden. Wir haben die Möglichkeit, Lebensmittelabfälle zu reduzieren, um die Emissionen von nicht verzehrten Lebensmitteln zu minimieren und die Gesamtrundheit des Systems zu verbessern.“

Alleine die 14 unterzeichnenden Städte servieren 500 Millionen Mahlzeiten in der öffentlichen Gemeinschaftsverpflegung jährlich. Die Städte verpflichten sich in Zusammenarbeit mit den Bürgern eine „Planetary Health Diet“ (im Sinne der EAT-Lancet-Studie) für alle zu erreichen. Verabredet haben sie folgende Maßnahmenfelder:

  • Die öffentliche Beschaffung soll auf die „Planetary Health Diet“ ausgerichtet werden und idealerweise aus ökologischer Erzeugung kommen.
  • Der Konsum von pflanzlichen Nahrungsmitteln soll gefördert werden.
  • Lebensmittelabfälle sollen gegenüber dem Niveau von 2015 um 50% gesenkt werden.
  • Gemeinsam mit Bürgern, Unternehmen, öffentlichen Einrichtungen und anderen Organisationen soll innerhalb von zwei Jahren nach Beitritt eine gemeinsame Strategie erarbeitet werden, die festlegt wie diese Maßnahmen umfassend und gerecht umgesetzt und die Ziele erreicht werden. Diese Strategie soll Teil der lokalen Klima-Aktionspläne werden.

Die jeweiligen Maßnahmen haben die Städte gemeinsam hier publiziert. Die C40 „Good Food Cities Declaration“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie Ernährungspolitik als essenziell für die zukunftsfähige Entwicklung von Städten begriffen wird. Hier sind es Weltmetropolen, die Ernährungspolitik als eines der wesentlichen Felder kommunaler Politik begreifen – und damit Vorbild für deutsche Städte sein könnten. Welche deutsche Stadt schließt hier zuerst zur globalen Elite auf?

Quellen

C40 Cities Webseite: Good Food Cities: Achieving a Planetary Health Diet for All
C40 Cities Deklaration: Good Food Cities Declaration: Achieving a Planetary Health Diet for All
C40 Cities Pressemitteilung: 14 Cities Commit to Sustainable Food Policies That Will Address the Global Climate Emergency
C40 Cities, Arup & University of Leeds (2019): Addressing Food-related Consumption-based Emissions in C40 Cities. In Focus.

Photocredit: Hall of Meat // La Citta Vita  // CC BY-SA 2.0