Wir bewegen uns im Alltag durch die Stadt an einer Vielzahl von Einkaufs- und Konsummöglichkeiten vorbei. Wie beeinflusst der städtische Raum unseren Lebensmittelkonsum? Macht es für unsere Ernährung einen Unterschied, ob wir uns zwischen Schnellimbissen, Reformhäusern oder in Food Deserts (Gebiete ohne Einkaufsmöglichkeiten) bewegen? Den Antworten auf diese Fragen nähert sich eine Diplomarbeit an, die Lars Werkmeister bei den Raumplanern an der TU Dortmund vorgelegt hat. Bei seiner Klärung greift Werkmeister auf Modelle der Zeitgeographie zurück.

In Rahmen einer empirischen Untersuchung haben Hannoveraner Protokolle ihres Mobilitäts- und Konsumerverhaltens angefertigt. Rund ein Drittel der Entscheidungen zum Lebensmittelkonsum trafen die Probanten spontan – die räumliche Umgebung konnte auf diese Entscheidungen also unmittelbaren Einfluss nehmen. Die Mobilitäts- und Konsummuster wurden insbesondere durch das Merkmal „Berufstätigkeit“ bestimmt. Job oder Nicht-Job bestimmte bei den Probanden, wo und wann sie aßen, ob sie eher zu drei Hauptmahlzeiten oder zum Dauersnacken neigten. Das Wohnumfeld spielt nur bei Probanden mit kleineren Aktionsraum eine Rolle für die Versorgung, für die mobileren Gruppen und für den Außer-Haus-Verzehr spielte der Bereich der Nahversorgung keine Rolle.

Essen in der Stadt

Es liegt die Vermutung nahe, dass Menschen sich bei entsprechendem Angebot häufiger zum Konsum motivieren lassen. Die impulsive Entscheidung, etwas zu essen, wird durch entsprechendes Angebot in den Aktionsräumen der Menschen ausgelöst. Die Raumplanung muss dies erkennen, denn durch die Gestaltung des Raumes kann sie Einfluss auf das Essverhalten nehmen. Die Frage nach dem planerischen Umgang mit der Ernährung ergibt sich ebenfalls aus der kulturellen Dimension. Empirisch kann der esskulturelle Wandel innerhalb der Studiengruppe belegt werden. […] Es bleibt die Frage, welche Umgangsformen und Wertmaßstäbe des Essens gefördert werden sollen. In den Leitbildern der Raumordnung lautet eine Vorgabe, die „kulturelle Funktionen” zu erhalten (vgl. BMVBS 2006: 25). Die Esskultur stellt einen Teil der kulturellen Vielfalt dar. Eine Diskussion über den Umgang mit den aktuellen Entwicklungen muss daher geführt werden. (S. 80-81)

Food Improvement District. Die Rolle der Raumplanung für eine gesunde Ernährung
Thematische Handlungsempfehlungen

Werkmeister schreibt der Planung im Rahmen der Gesundheitsprävention eine Rolle im Bereich der Verhältnisprävention zu: Raumplanung hat die Möglichkeit die Rahmenbedingungen für Ernährung zu verändern und damit zu einer gesünderen Ernährung beizutragen. Planung muss Lösungen finden, wie eine gesündere Versorgungsstruktur geschaffen werden kann. In der Raumordnung ist der Begriff Versorgungsqualität festgeschrieben. Werkmeister sieht hier neben dem Faktor „Nähe zu Versorgungseinrichtungen” auch den Faktor Verfügbarkeit von gesunden Lebensmittel“ als zentral an.

Aus der beschriebenen Situation gilt es, eine Strategie zu entwickeln, mit der das Verantwortungsbewusstsein des Handels und der Gastronomie für die Gesundheit der Menschen geweckt wird. Dies grenzt die möglichen Instrumente zur planerischen Umsetzung ein. Es ist vornehmlich eine Aufgabe der Kommune, die täglich genutzten Versorgungsstrukturen den neuen Anforderungen anzupassen. Sie muss über eine Anreiz-Politik das Ziel der flächendeckenden gesunden Ernährung verfolgen, denn weder dem Handel oder der Gastronomie noch dem Konsumenten selbst, kann die Planung vorschreiben, was gegessen wird. (S. 86)

Die öffentliche Hand soll es sich – nach Werkmeister – zum Auftrag machen, jedem Bürger den Zugang zu gesundem Essen zu ermöglichen. Um den Verlust der esskulturellen Werte entgegenzuwirken und die Bemühungen der Kommune um das Thema Ernährung räumlich zu bündeln, schlägt die Diplomarbeit die Einrichtung eines „Food Improvement District” vor. Die Planung koordiniert ein Konsortium privater Anbieter, um einen attraktiven Hotspot der lokalen Lebensmittelkultur entstehen zu lassen.

Lars Werkmeister (2010): Essen in der Stadt: Zum Einfluss von physischer und sozialer Umgebung auf das Essverhalten.  Diplomarbeit TU Dortmund, Fakultät Raumplanung.  Gutachter: Prof. Klaus R. Kunzmann, Dr. Anja Szypulski.