Köln ist neben Berlin eine der Städte in Deutschland, die aktuell nach neuen Wegen suchen, ihre Lebensmittelversorgung neu zu gestalten. Es verwundert nicht, dass in der Film- und Medienstadt auch die Geschichte des Ernährungsrat Köln mit einem Film beginnt.
Mit dem Film „Taste the Waste“ veränderte der Kölner Filemacher Valentin Thurn im Jahr 2011 die deutsche Wahrnehmung von Lebensmittelverschwendung und stieß Initiativen wie „foodsharing“ an. Im April 2015 erschien sein Film „10 Milliarden“. Für diesen neuen Film ist Valentin Thurn um die Welt gereist und hat nach Antworten auf die Welternährungsfrage gesucht. Dabei ist er auf eine Vielzahl von Lösungsversuchen und Projekten gestoßen. Im Laufe des Films wird der Fokus verstärkt auf kleinen Strukturen gelegt. Valentin Thurn zeigt viele Projekte, die im lokalen und urbanen Rahmen Ernährungspolitik gestalten und ihren eigenen Baustein für die Antwort auf die große Frage “Wie werden 10 Milliarden Menschen satt?” liefern.
Klappe „Ernährungspolitik“, die Erste.
Im Zuge der Dreharbeiten zu „10 Milliarden“ gründete sich im Sommer 2014 der Verein „Taste of Heimat“, der sich für regionale Produkte und regionale Strukturen im Ernährungssystem einsetzt. Dass es von diesem Engagement bis zur Idee eines Ernährungsrats nur ein kleiner Schritt war, erläuterte Valentin Thurn dem Magazin Geo so:
„Auf die Idee gekommen sind wir durch die Arbeit an der Plattform „Taste of Heimat“, einem Online-Führer durch den Dschungel der regionalen Angebote. Unter unseren Mitstreitern sind auch viele Landwirte, aber selbst die kannten nur einen Bruchteil der Akteure in unserer eigenen Stadt, in Köln. Das hat uns positiv überrascht – und uns war klar: Die müssen wir vernetzen. Unser Ziel ist jetzt unter anderem ein Ernährungsrat der Stadt Köln, nach dem Vorbild der Food Policy Councils in den USA. Die haben etwas geschafft, was auch für Deutschland eine schöne Sache wäre, nämlich Ernährungspolitik wieder auf eine kommunale Ebene herunterzuholen. So könnte ein Gremium entstehen, das als Teil der Stadtverwaltung alles unterstützt, was die Lebensmittelproduktion in den Nahbereich holt.“
Für den 7. März 2016 ist die offizielle Gründung des Ernährungsrat Köln geplant. Speiseräume sprach dazu mit der Projektkoordinatorin bei „Taste of Heimat“ Marie Zimmermann.
Wie kann ein Ernährungsrat Köln aussehen?
„Die Entscheidung einen Ernährungsrat Köln zu gründen fiel auf dem ersten Netzwerk- und Kennenlern-Treffen am 19. März 2015“, sagt Marie Zimmermann. Hier trafen sich Akteure und Initiativen aus Stadt und Region um sich kennen zu lernen und Ideen für eine lokale Ernährungspolitik zu sammeln. Der Ruf nach einer Fortsetzung war, so Marie Zimmermann, laut: „Es bestand großes Interesse die ersten Ideen weiterzuentwickeln.“
Die Kölner Kommunalpolitik war im Sommer 2015 geprägt durch die im Herbst anstehenden Oberbürgermeisterwahlen. Und anders als in den meisten deutschen Kommunen spielte im Kölner Wahlkampf das Thema Ernährung durchaus eine Rolle. Ein Kandidat hatte es sogar zu einem seiner Schwerpunkte erklärt: Der parteilose Hobby-Imker und urbane Gärtner Marcel Hövelmann wollte sein Engagement im Rathaus fortsetzen. Auch „Taste of Heimat“ nutzte die Oberbürgermeisterwahl um auf das Thema Ernährung hinzuweisen. Am 09. Juli diskutierten die beiden aussichtsreichsten Kandidaten Henriette Reker (parteilos) und Jochen Ott (SPD) zusammen mit Valentin Thurn die Möglichkeiten einer Kölner Ernährungspolitik. Beide Kandidaten befürworteten grundsätzlich einen Ernährungsrat für Köln und kündigten für einen Wahlsieg ihre Unterstützung an. Marie Zimmermann meint: „Die Podiumsdiskussion war entscheidend um die Idee eines Ernährungsrats bekannt zu machen und uns die Unterstützung der Politik zu sichern.“
Währenddessen machten sich die Aktiven schon an die Arbeit: In verschiedenen Gremien wurde die inhaltliche und organisatorische Vorbereitung des Ernährungsrates begonnen. In vier Ausschüssen wird an konkreten Inhalten gearbeitet. Hier werden bereits Projekte entwickelt, die vom oder in Kooperation mit dem Ernährungsrat umgesetzt werden sollen. Die Ausschüsse haben sich mittlerweile dreimal zu den Themen „Köln is(s)t regional“, „Regionale Direktvermarktung“, „Ernährungsbildung und Schulverpflegung“ und „Zukunft der Lebensmittelproduktion in der Stadt“ getroffen. „Für die Sitzungen im Januar hatten wir Experten beispielsweise aus dem Landwirtschaftsministerium und der Landwirtschaftskammer eingeladen, die uns ihre Sicht auf die jeweiligen Themen darstellten“, erzählt Marie Zimmermann. Parallel zu diesen Ausschüssen arbeitet ein „Lenkungskreis“ (mit Speiseräume-Beteiligung) an der Struktur und Gründung des Ernährungsrates.
Die offizielle Gründung
Ähnlich wie in Berlin ist dabei die Suche nach der richtigen Form für die Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft, Politik und Verwaltung nicht einfach: zu ungewohnt ist es an einem Tisch konstruktiv zu kooperieren. In Köln hat man sich für eine Gründung außerhalb offizieller städtischer Strukturen entschieden – ist sich aber des Interesses und der Unterstützung der Stadt sicher.
Am 7. März 2016 wird der Ernährungsrat Köln in Anwesenheit von NRW Landwirtschafts- und Verbraucherschutzminister Johannes Remmel und der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker feierlich gegründet. „Dann werden wir auch die 30 Mitglieder des Ernährungsrats vorstellen. Sie werden zu je einem Drittel aus der (Land-) Wirtschaft, aus der Zivilgesellschaft und aus Politik und Verwaltung kommen“, beschreibt Marie Zimmermann die Struktur des zukünftigen Ernährungsrats. Eine „Kölner Food Charta“ werden die Mitglieder an Henriette Reker überreichen. In der Charta ist formuliert wie ein nachhaltiges Kölner Ernährungssystem aussehen könnte, von dem Stadt und Region profitieren. Die Zukunft der Arbeit des Kölner Ernährungsrat sieht Marie Zimmerman gespannt entgegen: „Dass wir es schaffen aus diesem Leitbild konkrete Ziele zu formulieren und Projekte zu schaffen, an deren Umsetzung der Ernährungsrat und die Ausschüsse arbeiten – das wäre das Ideal.“ Das wäre dann auch wirklich ein filmreifer Start eines der ersten Ernährungsräte in Deutschland.

Website Ernährungsrat Köln (in Aufbau)